„Bevor Sie Ihre Geschichte dramatisiert ausdrücken können, müssen Sie vier Dinge bereits wissen: den Schluss, den Anfang, den ersten und den zweiten Plotpoint. Diese vier Elemente sind der strukturelle Grundstock für Ihr Drehbuch. Sie werden ihre gesamte gesamte Story an diesen vier Pfeilern ‚aufhängen‘.“
– Syd Field
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WOP: Nein. Eine Geschichte wird nirgendwo „aufgehängt“. Der Autor des Zitats geht von der Annahme aus, dass der Prozess des Drehbuchschreibens darin besteht, dass es am Beginn eine Geschichte gibt, die geschrieben werden soll. Der Autor unterliegt damit einer folgenschweren Verwechslung. Er kann die Dinge nicht auseinander halten. Er verwechselt eine Geschichte mit einem Stoff.
Ein Stoff ist aber keine Geschichte. Der Stoff liefert lediglich das Material für eine Geschichte. Er ist der Steinbruch, aus dem der Marmor für den Tempel gewonnen wird. Kein Tempel ohne Steinbruch; keine Geschichte ohne Stoff. Die Geschichte ist das Endprodukt des Schreibprozesses, wie der Tempel das Endprodukt des Bauprozesses ist. Am Anfang des Schreibprozesses steht der Stoff, am Ende des Schreibprozesses steht die Geschichte. Der Schreibprozesses schafft die Geschichte erst. Der Schreibprozesses ist die Umwandlung eines Stoffes in eine Geschichte.
Einschränkend muss gesagt werden, dass dies natürlich nur für den Fall gilt, dass das Endprodukt auch tatsächlich eine Geschichte ergibt, was keineswegs selbstverständlich ist. Denn nicht alles, was gebaut wird, ist ein Tempel. Und nicht alles, was erzählt wird, ist eine Geschichte. Eine Geschichte ist ein Sonderfall des Erzählens. Wenn man aber – wie der Autor des Zitats dies tut – einen Stoff schon für eine Geschichte hält, die irgendwo „aufgehängt“ werden kann, dann wird man am Ende seines Schreibprozesses auch gar keine Geschichte haben, sondern bestenfalls einen logisch geordneten Stoff, was aber etwas völlig anderes ist als eine Geschichte.