Irrtum # 1

„Ein Drehbuch wird definiert als Geschichte, die mit Bildern, Dialogen und beschreibenden Passagen in einer dramatischen Struktur erzählt wird.“
– Syd Field
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WOP: Ein Drehbuch wird überhaupt nicht definiert als eine Geschichte. Ein Drehbuch erzählt nur ausnahmsweise eine Geschichte, nämlich dann, wenn es eine Geschichte erzählt. Wenn das Drehbuch keine Geschichte erzählt, dann kann es sich bei dem Drehbuch auch nicht um eine Geschichte handeln. Ein Drehbuch zu einem Lehrfilm beispielsweise wird in aller Regel keine Geschichte erzählen; trotzdem ist es ein Drehbuch. In einem Drehbuch steht, was gedreht werden soll, auch dann, wenn es sich bei dem zu Drehenden nicht um eine Geschichte handelt. Mit dem Begriff „Geschichte“ wird in der Dramaturgie – wie mit anderen Begriffen auch – äußerst fahrlässig umgegangen. Keineswegs ist alles, was zu Film verarbeitet wird, eine Geschichte. Tatsächlich ist das allerwenigste, was als Film daher kommt, eine Geschichte. Auch nicht alles, was fiktional ist, ist eine Geschichte. Geschichten erzählen ist ein Sonderfall das Erzählens. Damit bei etwas Erzähltem von einer „Geschichte“ gesprochen werden kann, müssen ganz bestimmte Gegebenheiten vorhanden sein. Ist dies nicht der Fall, kann auch nicht von einer Geschichte gesprochen werden. Insofern ist es Unsinn, ein Drehbuch als Geschichte zu definieren. Wird es trotzdem getan, entsteht der Eindruck, dass es der Dramaturgie sowohl an Differenzierungsvermögen wie überhaupt an einem grundlegenden Verständnis der Sache mangelt, die sie als ihren Gegenstand sieht.

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